Kann die Ukraine den Krieg gegen Russland auf militärischem Wege gewinnen? Daran äußern SPD-Politiker wie Ralf Stegner zunehmend Zweifel. Sie bringen eine Verhandlungslösung ins Spiel.
Mehrere SPD-Politiker sehen in einer diplomatischen Lösung den einzigen Weg, den Ukraine-Krieg zu beenden. “Den Vorschlag einer Verhandlungslösung begrüße ich ausdrücklich”, sagte der Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner dem stern. Jeder Kriegstag bringe neue Tote und Zerstörung. “Alles, was zu einer Waffenruhe oder einem Friedensschluss führen könnte, halte ich daher für richtig.”
Hintergrund ist der jüngste Vorstoß von Oleksij Arestowytsch, einst ein enger Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Im Gespräch mit dem stern schlägt Arestowytsch vor, den Krieg einzufrieren und das von Russland besetzte Territorium nicht auf militärischem sondern diplomatischem Wege zurückzuerlangen.
Arestowytsch, der mittlerweile in Europa und den USA lebt und Selenskyjs als Präsidenten ablösen will, spricht von einer “Sackgasse auf dem Schlachtfeld”. Deshalb sei es an der Zeit, “sich an den Verhandlungstisch zu setzen.” Bislang verlangt die Regierung der Ukraine die vollständige Wiederherstellung der territorialen Integrität und den Abzug der russischen Truppen als Bedingung für Verhandlungen.
IV Arestowitsch 8.15 Uhr
“Die Ukraine darf diesen Krieg nicht verlieren”, betonte Stegner. “Allein durch Waffenlieferungen lässt sich dieser aber nicht beenden.” Der Plan, Russlands Präsidenten Wladimir Putin durch westliche Militärhilfe zu Verhandlungen zu zwingen, sei offenkundig nicht aufgegangen.
“Es gab schon lange gute Gründe, den alleinigen Fokus auf Waffenlieferungen skeptisch zu sehen”, sagte der SPD-Politiker. Nun aber drohe der Ukraine-Krieg durch den Nahost-Konflikt in den Hintergrund zu rücken, die westliche Unterstützung nachzulassen. “Deshalb ist es an der Zeit für eine Waffenpause, um Schlimmeres zu verhindern. Es sollte jede Chance genutzt werden, die zu Verhandlungen führt.” Wichtig sei jedoch, “dass die Lösung vielleicht über kleine Schritte erfolgt, aber nicht so aussehen darf, dass Putin mit Gewalt Grenzveränderungen durchsetzen darf.”
SPD-Politiker Müller: “Es braucht eine Verhandlungslösung”
Das Konzept von Ex-Berater Arestowytsch sieht unter anderem vor, den Konflikt einzufrieren und eine ähnliche Situation wie im Kalten Krieg zwischen der Bundesrepublik und der DDR zu schaffen. Es sei ein “Deal auf Zeit”, sagte Arestowytsch. Sollte die Nato die Ukraine dann ins Militärbündnis aufnehmen, würde sich ihr Schutz nur auf das Territorium erstrecken, dass de facto von der Ukraine kontrolliert werde. “Die Rückkehr der besetzten Territorien werden wir auf politischem Wege verfolgen”, schlägt Arestowytsch vor.
Diesem Vorschlag kann der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Müller nichts abgewinnen. “Deutschland war über Jahrzehnte ein geteiltes Land, die Wiedervereinigung ein Glücksfall der Geschichte – der sich nicht wiederholen muss”, mahnte Müller.
Allerdings erachtet auch Berlins früherer Regierender Bürgermeister eine diplomatische Lösung des Krieges praktisch als alternativlos. “Im Ukraine-Krieg bewegt sich weder in die eine noch in die andere Richtung etwas – während beide Seiten immer mehr Verluste beklagen. Meine Zweifel wachsen, dass sich dieser Krieg militärisch beenden lässt”, sagte Müller dem stern. “Es braucht eine Verhandlungslösung. Eine Waffenruhe ist daher wünschenswert.”
Infobox Hauptstadt NL
“Wenn der Ruf in der Ukraine nach einer Verhandlungslösung lauter werden sollte, dann darf diese Chance nicht verpasst werden”, sagte Müller. Er betonte indes: “Eines ist aber ebenso sicher: Nichts darf gegen den Willen der Ukraine entschieden werden.” Die Waffenlieferungen aus Deutschland und dem Westen “zur Selbstverteidigung” müssten fortgeführt werden, “mit dem Ziel eines Friedens der die Interessen der Ukraine berücksichtigt”.
Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Schwarz begrüße jeden diplomatischen Versuch, den Krieg zu beenden. “Die westliche Welt kann kein Interesse an einem langen Konflikt haben, da das Zeitspiel nur Russland nutzt”, sagte er dem stern. Schwarz zeigte sich skeptisch. Von offizieller Seite der Ukraine habe er bisher nicht die Bereitschaft für einen Gebietsverzicht wahrgenommen. “Und die ukrainische Regierung muss das souverän allein entscheiden.”
Von zentraler Bedeutung würden aber auch die Sicherheitsgarantien für die Ukraine sein, sagte Schwarz mit Blick auf die Vorschläge, ebenso wie die “Freizügigkeit in diesem neuen Territorium geregelt wird”. Hier könnten Blauhelme für eine entmilitarisierte Zone und eine Aufarbeitung von begangenen Verbrechen sorgen.
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Author : Florian Schillat
Publish date : 2023-11-03 23:01:00
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